Stiefmütterchen (Viola tricolor)

Das Stiefmütterchen mit seinem lieblichen Blütengesicht ist meist dreifarbig violett-weiss-gelb. Es ist ein- bis zweijährig und lässt sich im Garten leicht kultivieren. Seit dem Mittelalter wird es medizinisch verwendet, speziell als Kinderheilpflanze. Heute setzt man das Stiefmütterchenkraut inklusive Blüten vor allem zur Behandlung verschiedener Hauterkrankungen ein (Ekzeme, Akne, Windeldermatitis, Juckreiz). Man trinkt es einerseits als Tee, verwendet diesen andererseits auch äusserlich für Waschungen und Auflagen. Medizinisch ist das Stiefmütterchen noch wenig erforscht. Therapeutische Erfahrungen zeigen aber, dass es entzündungshemmend und schmerzlindernd wirkt. Es enthält verschiedene Inhaltsstoffe (u.a. Flavonoide, Methylsalicylglykosid, Schleimstoffe, Gerbstoffe), die bei Hauterkrankungen heilend wirken können.

Stiefmütterchen Samen

1. Botanik | 2. Heilpflanze | 3. Nachweismethoden | 4. Wissenswertes

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1. Stiefmütterchen als Pflanze (Botanik)

1.1. Familie

Veilchengewächse (Violaceae)

1.2. Weitere Namen

Gewöhnliches Stiefmütterchen, wildes Stiefmütterchen, Dreifaltigkeitsblume

1.3. Merkmale

Das gewöhnliche Stiefmütterchen (Viola tricolor) ist eine formenreiche Art mit zahlreichen Unterarten (Subspezies) und Varietäten.

  • Lebenszyklus: Das gewöhnliche Stiefmütterchen ist einjährig, selten mehrjährig und wird 10–40 cm gross.
  • Vorkommen und Verbreitung: Es ist in allen gemässigten Zonen Europas und Asiens heimisch. In der Natur ist es bei uns allerdings ziemlich selten. Es wächst an Böschungen, grasigen Hängen, Waldrändern, Äckern, Brach- und Ödflächen.
  • Stängel und Blätter: Der Stängel ist aufrecht und verzweigt. Die Blätter sind wechselständig, die unteren rundlich herzförmig, die oberen länglich-lanzettlich. Sie besitzen auf beiden Seiten 1–5 Zähne, sind unbehaart und besitzen grosse, fiederspaltig gelappte Nebenblätter.
  • Blüte: Das Stiefmütterchen blüht von April bis September, bei günstigem Wetter kann man noch im Dezember Blüten finden. Die Blüten sind 5-zählig mit Sporn. Sie sind 1,5–3 cm gross und einzeln stehend. Die Kronblätter sind deutlich länger als der Kelch. Die seitlichen Kronblätter sind nach oben gerichtet – dies im Unterschied zu den Veilchen-Arten – ihre Ränder überdecken die beiden oberen Kronblätter. Die oberen Kronblätter sind meist blau, die unteren gelb oder blaugelb. Es gibt jedoch verschiedene Farbvarianten. Die Blüten des Stiefmütterchens nennt man Lippenblumen, weil die Narbe durch eine lippenförmige Klappe gegen hereinfallende Pollen und damit gegen Selbstbestäubung geschützt ist. Im Unterschied zu den Veilchen ist das Stiefmütterchen deshalb selbststeril. Die beiden unteren Staubblätter haben ein langes Anhängsel, das im Innern des Sporns Nektar abgibt. Wenn Hummeln und Bienen den Weg zu diesem Nektar suchen, nehmen Sie den Pollen auf und tragen ihn zur nächsten Blüte weiter.
  • Frucht: Etwa 6 Wochen nach der Befruchtung hat sich die spitze, aufrecht stehende, kahle Kapselfrucht gebildet, die sich mit 3 Klappen öffnet. Sie enthält zahlreiche, birnenförmige Samen, die ein kleines Elaiosom tragen, ein fettreiches Anhängsel, das von Ameisen gerne aufgenommen wird und so zur Verbreitung des Stiefmütterchens beiträgt. Die Samenverbreitung ist jedoch auch ohne die Hilfe von Ameisen erfolgreich. Mit einem speziellen "Druckmechanismus" werden die Samen bis zu 3 Meter weit fortgeschleudert: Beim Trocknen bewegen sich die drei einzelnen Klappen der Frucht nach innen und üben Druck auf die Samen aus, bis diese sich dann plötzlich lösen.
Stiefmütterchen Blüte
Stiefmütterchen Blüte
Stiefmütterchen Nebenblatt
Nebenblatt unter dem Binokular
Stiefmütterchen Samen
Blüteneingang unter dem Binokular
Stiefmütterchen Samen
Blüteneingang mit Narbenklappe

1.4. Verwandte Arten und Sorten

Von den Veilchengewächsen ist bei uns nur die Gattung Veilchen (Viola) heimisch. Sie ist mit 22 Arten vertreten. Die verschiedenen Arten der Gattung Veilchen lassen sich allerdings leicht miteinander kreuzen, so dass man auch Zwischenformen findet.

  • Acker-Stiefmütterchen (Viola arvensis): Es wird medizinisch gleich verwendet wie das gewöhnliche Stiefmütterchen, mit dem es eng verwandt ist. Deshalb sieht man die beiden heute als zwei Unterarten an (Viola tricolor ssp. vulgaris und Viola tricolor ssp. arvensis). Das Ackerstiefmütterchen ist etwas kleiner (5–20 cm gross), die Blüten sind cremefarben (teilweisse mit violetten Flecken) und nur 1–2 cm gross. Die Kronblätter sind kürzer oder nur wenig länger als der Kelch. Es stammt aus dem östlichen Mittelmeergebiet und ist bei uns etwas häufiger als das gewöhnliche Stiefmütterchen.
  • Gelbes Stiefmütterchen (Viola lutea): Die Blüten sind meist ganz hell- bis dunkelgelb, der Stängel meist unverzweigt, an der Basis niederliegend. Es wächst in den Alpen und in den Vogesen.
  • Garten-Stiefmütterchen (Viola x wittrockiana): Es entstand aus Kreuzungen der beiden Arten Viola tricolor und Viola arvensis mit dem Altai-Stiefmütterchen (Viola altaica) und dem Sudeten-Stiefmütterchen (Viola lutea ssp. sudetica). Heute ist es in hunderten von (Farb-)Varianten erhältlich. Es sollte nicht für Heilanwendungen verwendet werden.
  • Duft-Veilchen (Viola odorata): Im Unterschied zu den Stiefmütterchen besitzen die Veilchen meist violette Blüten und zwei nach abwärts gerichtete, seitliche Blütenblätter. Die Blüten des Duft-Veilchens sind dunkelviolett und duftend. Die Blätter wachsen aus einer grundständigen Rosette. Sie sind rundlich-nierenförmig bis herz-eiförmig, die Blattfläche ist behaart. Die Nebenblätter sind eiförmig. Aus den Achseln der Grundblätter entspringen die Blüten. In der modernen Pflanzenheilkunde ist das Duftveilchen etwas weniger bekannt als das Stiefmütterchen, wird aber ähnlich eingesetzt.
Stiefmütterchen
3-klapppige Kapselfrucht
Stiefmütterchen Samen
Stiefmütterchen-Samen mit Elaisom

1.5. Anbau im Garten

Stiefmütterchen bevorzugen humusreiche, eher etwas feuchte Böden ohne Staunässe an einer sonnigen bis halbschattigen Lage. Der Boden sollte nicht zu basisch und nicht zu nährstoffreich sein.

Aufgrund der schönen dreifarbigen Blüten ist das Stiefmütterchen im Garten gerne gesehen. Einmal angepflanzt, samt es sich meist von selbst wieder aus.

Die Aussaat der Samen erfolgt von März bis Mai direkt ins Freiland. Sie können auch problemlos in Töpfen oder Schalen ausgesät werden. Die Samen sollten nicht zu dicht gesät und nur leicht angedrückt werden (Lichtkeimer). Die Keimdauer beträgt 3–4 Wochen. Bei einer Vorkultur im August können die Jungpflanzen im September ausgepflanzt werden, wo sie dann den Winter gut überstehen und etwas früher blühen als die im Frühling gesäten Stiefmütterchen.

1.6. Ernte

Das blühende Kraut kann von Mai bis August geerntet werden, am besten vormittags an einem trockenen, sonnigen Tag. Durch eine fortlaufende Ernte der längeren Triebe wird ein buschiges Wachstum gefördert und die Blütenbildung angeregt. Das Kraut wird unzerkleinert an einem warmen, schattigen Ort rasch getrocknet.

Für die Küche werden die Blüten am besten unmittelbar nach dem Erblühen gesammelt, weil sie dann am aromareichsten sind. Junge Blätter und Triebe für die Küche werden von März bis Juni geerntet.

Stiefmütterchen Samen
Stiefmütterchen im Frühling
Stiefmütterchen Samen
Stiefmütterchen im Sommer
Stiefmütterchen Samen
Stiefmütterchen im Herbst

2. Stiefmütterchen als Heilpflanze

2.1. Verwendete Pflanzenteile

Kraut resp. oberirdische Pflanzenteile (Violae tricoloris herba cum flore)

Die im Verkauf erhältliche Droge stammt vom wilden Stiefmütterchen (Viola tricolor ssp. vulgaris) oder vom Ackerstiefmütterchen (Viola tricolor ssp. arvensis

2.2. Inhaltsstoffe (Hauptwirkstoffe)

  • Schleimstoffe (10–22 %)
  • Gerbstoffe (2,4–4,5 %)
  • Flavonoide (1,5–3 %) (u.a. Rutin)
  • Phenolcarbonsäuren (bis 0,3 %): u.a. Salicylsäuremethylester
  • Hydroxycumarine (u. a. Umbelliferon), Carotinoide, Ascorbinsäure und α-Tocopherol
  • Das Vorkommen von Saponinen ist umstritten.

2.3. Heilwirkungen

Stiefmütterchenkraut wirkt entzündungshemmend (antiphlogistisch), antioxidativ und schmerzlindernd. Manche Autoren beschreiben die Wirkung auch als cortisonähnlich. Der genaue Wirkmechanismus ist jedoch noch nicht bekannt.

Gerbstoffe und Salicylate lindern Schmerz und Juckreiz und lassen Ekzeme schneller ausheilen. Äusserlich angewendet unterstützen die Pflanzenschleime den hautheilenden Prozess. Es werden auch antibakterielle Wirkungen beschrieben. Bei Fieber und Rheuma kommen die entzündungs- und schmerzlindernden Eigenschaften ebenfalls zur Geltung.

Flavonoid: Saponarin
Flavonoid: Saponarin (https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov)
Flavonoid: Violanthin
Flavonoid: Violanthin (https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov)
Flavonoid: Rutin
Flavonoid: Rutin (https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov)

2.4. Anwendungsgebiete (Indikationen)

Anerkannte medizinische Anwendungen (Monografien):

  • Kommission E: Leichte seborrhoische Hauterkrankungen sowie Milchschorf der Kinder (äussere Anwendung).
  • ESCOP-Monografie: Hautprobleme, wie Ekzeme, Seborrhö, Impetigo, Akne, Milchschorf, Windeldermatitis (innere und äussere Anwendung).
  • HMPC-Monografie: Symptomatische Behandlung leichter seborrhoischer Zustände der Haut (innere und äussere Anwendung).

Erfahrungsheilkunde:

  • Das Stiefmütterchenkraut wird mindestens seit dem Mittelalter medizinisch verwendet. Es wurde zeitweilig als eine zentrale Kinderheilpflanze betrachtet und bei Hautausschlägen, Husten und Krampfanfällen eingesetzt.
  • Heute wird es traditionell vor allem zur äusserlichen Behandlung einer Reihe von Hauterkrankungen eingesetzt (verschiedene Exantheme, Ekzeme, Akne, seborrhoische Dermatitis, Milchschorf, Windeldermatitis) sowie bei Juckreiz als Waschungen bzw. Auflagen.
  • Volksmedizinisch wurde es bei Erkältungskrankheiten sowie weiteren Beschwerden der oberen Atemwege (z.B. Husten) eingesetzt. Berichte liegen auch für eine Anwendung bei rheumatischen Beschwerden und Harnwegsbeschwerden vor. Früher wurde es als Bestandteil von Stoffwechseltees oder sogenannte Blutreinigungstees verwendet. Es wurden ihm leichte abführende, harn- und schweisstreibende Wirkungen zugesprochen.

2.5. Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Gegenanzeigen

Keine bekannt

2.6. Anwendungen,. Zubereitung, Dosierung

  • Teeaufguss (Infus): 1–2 TL (1.5–3 g) getrocknetes, zerkleinertes Stiefmütterchenkraut mit 1 Tasse heissem Wasser übergiessen, 5–7 min ziehen lassen. 2–3 x täglich eine Tasse trinken. Kurmässige Anwendung über 8 Wochen, z.B. bei hartnäckiger Akne, kann Besserung bringen.
  • Waschungen, Umschläge: Bei verschiedenen Hautunreinheiten und Hautleiden kann Stiefmütterchen-Tee wie folgt eingesetzt werden: 5–20 g/l als Teeaufguss (Infus) 2–3-mal pro Tag für feuchte Auflagen. Der Tee kann als Gesichtswasser auf einen Wattebausch gegeben und damit die unreine Haut abgetupft werden. Für eine Gesichtspackung wird ein Gesichtshandtuch in den heissen Tee getunkt, ausgewrungen und 10 min lang auf das Gesicht gelegt. Begleitend dazu kann zur Stoffwechselanregung eine Stiefmütterchentee-Kur durchgeführt werden.
  • Sitzbad: 2–3 EL getrocknetes Stiefmütterchenkraut mit 1 l kochendem Wasser übergiessen, nach ca. 10–15 min abseihen. Diesen Sud ins Badewasser geben. - Babynahrung: In der Volksmedizin wird der Stiefmütterchentee (¼ TL pro Tasse) bei Säuglingen auch zur Nahrungszubereitung anstelle von Wasser verwendet oder mit Milch gemischt.

3. Chemische Untersuchungen, Nachweismethoden

3.1. Inhaltsstoffanalyse von Violae herba

Pflanzenextraktion

Für die Extraktion wurde das geerntete Kraut mit einem Messer zerkleinert, das Frischgewicht bestimmt (10 g) und mit 10 ml Methanol versetzt. Die Extraktion des Krautes wurde mit einem Ultraschallprozessor UP50H während 20 Min. durchgeführt (Cycle 0.9, Amplitude 100 %).

Dünnschichtchromatografie (DC) des Methanolextrates

  • Analyse: Die Analyse wurde mit DC-Platten Silica gel 60 F254 durchgeführt. Als Laufmittel diente Ethylacetat, Ameisensäue, Essigsäure, Wasser 100:12:10:26. Die Laufstrecke betrug 8 cm. Vom Methanolextrakt wurden 10 μl aufgetragen. Als Referenzsubstanz diente Rutin (5 μl einer 0.05 %-igen methanolischen Lösung).
  • Auswertung: Die getrocknete DC-Platte wurde mit 1 %-iger methanolischer Naturstoffreagenz A-Lösung besprüht und unter UV365 ausgewertet.
Methanol-Extraktion des Stiefmütterchenkrautes
Methanolextraktion des Stiefmütterchenkrautes
DC des Stiefmütterchenkrautes
DC des Stiefmütterchenkrautes, mit Naturstoff-Reagenz A besprüht

4. Geschichten, Wissenswertes

4.1 Wie das Stiefmütterchen zu seinen Namen kam

  • Das Stiefmütterchen hat seinen Namen von den ungleich gestalteten und gefärbten Blütenblättern erhalten: Das untere Kronblatt symbolisiert die Stiefmutter, die es sich auf zwei Stühlen (Kelchblättern) gemütlich macht. Ihre beiden eigenen Töchter sitzen ihr zur Seite auf je einem Stuhl. Die beiden Stieftöchter müssen sich den kleinsten Stuhl teilen, sie trauern in violett
  • Dreifaltigkeitsblume: Nach einer christlichen Legende duftete das Stiefmütterchen früher viel feiner und intensiver als das März-Veilchen. Es wuchs damals v.a. auf Feldern zwischen dem Getreide. Auf der Suche nach ihm trampelten die Menschen immer das ganze Korn nieder. Das tat dem Stiefmütterchen sehr leid. Es wandte sich an den Himmel und rief: "Oh heilige Dreifaltigkeit, nimm meinen Geruch, dass das schöne Korn nicht zertreten wird." Wegen seiner grossen Demut wurde ihm schliesslich die Bitte erfüllt. So verlor das Blümchen zwar seinen Duft, erhielt dafür den Namen Dreifaltigkeitsblume.
Stiefmütterchen Samen
Stiefmütterchen-Blüte von hinten

4.2 Stiefmütterchen in der Küche

Das Stiefmütterchen kann in vielfältiger Weise in der Wildkräuterküche eingesetzt werden:

  • Junge Blätter und Triebe können von März bis Juni roh für Salate verwendet werden. Gegart eignen sie sich als eindickende Zutat für Gemüsegerichte, Füllungen und Kräutersaucen. Der Geschmack ist mild, salatartig und etwas aromatisch frisch.
  • Mit Joghurt und etwas Honig püriert, kann man sich aus den jungen Trieben ein Vitalgetränk mixen, das den Stoffwechsel anregt.
  • Die aromareichen, leicht süsslichen Blüten eignen sich vor allem zum Dekorieren von Süssspeisen oder von Blattsalaten. Man kann daraus auch Gelee oder Sirup herstellen, oder damit Essig und Teemischungen aromatisieren.